Wer oder was bin ich eigentlich?

Spaziergang zur Badestelle in Südwesthörn bei grandiosem Herbstwetter // Foto: MeerART

Bin ich noch ich selbst oder bin ich zu angepasst?

Hast du auch manchmal das Problem, dass du nicht weißt was richtig für dich ist? Auf der einen Seite möchtest du dazugehören, also kein Außenseiter sein. Das bedeutet aber, dass du dich anpassen oder gar unterordnen musst. Und auf der anderen Seite hast du ein ganz natürliches Bedürfnis nach Selbständigkeit und Individualität. Warum nur ist es so schwer beides unter einen Hut zu bekommen?

Das finde ich sehr spannende Fragen, mit denen ich mich in den letzten Jahren nicht nur für mich selbst beschäftigt habe, sondern in letzter Zeit auch mit und für euch. Denn dank des enormen Feedbacks auf mein Buch „Frau sein, Mensch sein, glücklich sein…“ und meinen ganz persönlichen Lebensweg, habe ich mir noch einige Gedanken zu dem Thema „wie angepasst bin ich“ gemacht. Und am besten geht das – wie sollte es anders sein – bei einem ausgiebigen Spaziergang am Meer.

Spaziergang zur Badestelle in Südwesthörn bei grandiosem Herbstwetter // Foto: MeerART

Warum passen wir uns eigentlich an?

Wir lernen von klein auf an, dass wir uns an Regeln zu halten und anzupassen haben. Nur wer sich anpasst kann dazugehören und darf sich in der Gemeinschaft aufgehoben und auch von ihr getragen fühlen. Da wir Menschen von Natur aus gesellige Wesen sind, ist das Leben in einer Beziehung für uns ein Grundbedürfnis. Als Menschen brauchen wir soziale Strukturen, gewohnte Rituale, die uns Sicherheit geben. Nicht umsonst gibt es den Spruch, dass der Mensch ein Gewohnheitstier ist. 😉

Spaziergang zur Badestelle in Südwesthörn bei grandiosem Herbstwetter // Foto: MeerART

Doch wie weit muss ich mich anpassen ohne dabei meine Individualität zu verlieren? Kann und darf ich überhaupt ich selbst sein? Hier wird es echt kniffelig, denn leider lernen wir auch, dass wir, wenn wir aus der Reihe tanzen, dann einfach nicht mehr dazugehören. Wir werden ausgegrenzt, was uns natürlich Angst und Kummer bereitet. Damit werden wir aber einem weiteren, für uns sehr wichtigen, Grundbedürfnis beschnitten, nämlich eigenständig zu sein.

Gibt es überhaupt einen Mittelweg zwischen Selbständigkeit und Abhängigkeit?

Jeder von uns kennt sicher den Konflikt. Auf der einen Seite möchten wir unbedingt dazugehören und auf der anderen Seite aber wir selbst sein. Da den goldenen Mittelweg für sich zu finden, ist gar nicht so einfach. Auch ich habe viele Jahre gebraucht, um den richtigen Weg für mich zu finden. Nach den ersten prägenden Jahren, in denen ich von der Gesellschaft gezwungen wurde mich anzupassen, habe ich mich sehr oft verloren gefühlt. Und wenn ich versucht habe meiner Individualität zu folgen, dann wurde ich von der Gesellschaft meistens ausgegrenzt. Was zur Folge hatte, dass ich mich einsam und verloren, nicht geliebt und nicht zugehörig gefühlt habe. Inzwischen habe ich einen guten Weg für mich gefunden.

Spaziergang zur Badestelle in Südwesthörn bei grandiosem Herbstwetter // Foto: MeerART

Nur zu gerne würde ich euch ein Patentrezept an die Hand geben, nur gibt es das nicht. Wir alle sind unterschiedlich geprägt worden und haben unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Selbst wenn ihr ähnliche oder gleiche Erfahrungen gemacht habt wie ich, reichen kleine Nuancen aus, dass mein Weg für euch nicht der richtige ist.

Spaziergang zur Badestelle in Südwesthörn bei grandiosem Herbstwetter // Foto: MeerART

Wie angepasst bist du eigentlich?

Was ich sehr traurig finde ist, dass viele diesen Mittelweg für sich nicht finden. Ob aus Angst oder Bequemlichkeit ist von Person zu Person unterschiedlich. Sie bleiben angepasst und hinterfragen es auch nicht. Wundern sich aber, dass sie unglücklich sind oder im schlimmsten Fall sogar krank werden. Und das ist der springende Punkt – krank werden. In den letzten Jahre häufen sich Krankheitsfälle, die plötzlich auftreten und keiner so genau weiß – oft auch ein Arzt nicht – was dieser Person fehlt. Schnell ist die Rede von „Burn-out“ oder im schlimmsten Fall sogar von „Krebs“.

Spaziergang zur Badestelle in Südwesthörn bei grandiosem Herbstwetter // Foto: MeerART

Meist wird dann einfach drauf los therapiert ohne tatsächlich darauf zu gucken, was dem Menschen wirklich fehlt. Ich glaube, die wenigsten denken darüber nach, dass eine Erkrankung vielleicht auch daher rühren kann, dass sie eben nicht ihr eigenes Leben leben, sondern ein fremdes – angepasstes. Ein Leben, das sie immer nur herausfordert bis zur völligen Erschöpfung.

Spaziergang zur Badestelle in Südwesthörn bei grandiosem Herbstwetter // Foto: MeerART

Neulich habe ich mal ein sehr spannendes Interview mit Dr. Hans-Joachim Maaz gelesen, das ich sehr aufschlussreich fand. In dem Interview erklärte er die Frage nach dem Ich und nach dem Selbst, und zwar wie folgt:

Unter dem Selbst verstehen Psychoanalytiker unsere einmalige und unverwechselbare Persönlichkeitsstruktur, die wir mit der Geburt mitbekommen haben. Sie besteht aus Impulsen, Gefühlen und Befindlichkeiten. Es ist die Basis unserer Individualität und unserer Einzigartigkeit. Es ist ein Geschenk, das wir nicht ablehnen können, denn es ist genetisch in uns verankert.

Spaziergang zur Badestelle in Südwesthörn bei grandiosem Herbstwetter // Foto: MeerART

Dieses Selbst kann vielfach von außen, insbesondere in den ersten drei Lebensjahren – sozial, kulturell, politisch – gefördert, behindert und sogar zerstört werden. Es ist also sehr störanfällig.

Das Selbst ist das Vorgegebene, während das Ich das Erlernbare ist. Erlernte Ich-Fähigkeiten kompensieren Selbst-Störungen oder überdecken Selbst-Defizite. Das Ich vermittelt zwischen den vorhandenen Selbst-Möglichkeiten oder Selbst-Entfremdungen und den äußeren Lebensbedingungen und sozialen Anordnungen. (Quelle: einfach.sein)

Spaziergang zur Badestelle in Südwesthörn bei grandiosem Herbstwetter // Foto: MeerART

Ich versuche das Interview mal mit meinen eigenen Worten zusammenzufassen. Diese prägende Zeit liegt bei den meisten von uns nicht nur sehr weit zurück, wir kommen an dieses reine unverfälschte Selbst auch nicht mehr heran. Was nicht weiter schlimm ist, denn wir entwickeln uns weiter. Schlimm ist aber, wenn dieses Selbst so gestört wurde, dass das Selbsterleben als bedrohlich, angstvoll, abhängig oder sogar verzerrt empfunden werden kann.

Wie passiert so eine Störung?

Meist passiert dies durch Nichtachtung, Herabwürdigung oder Abwertung von außen, und zwar von den Eltern, der Schule oder anderen Bezugspersonen, aber auch durch die Gesellschaft, die Religion oder die Politik. (Dazu gibt es ein paar nette Anekdoten aus meinem eigenen Leben in meinem Buch) Gerade Kinder nehmen sich Sprüche wie die folgenden ganz besonders zu Herzen: „Du bist nicht gut so wie du bist“, „Du solltest anders sein“, „Es reicht nicht wie du bist“, „Du bist nicht richtig“, „Du solltest besser sein“ oder „Du solltest so sein wie…“. Es geht sogar noch schlimmer, nämlich dann, wenn einem die eigenen Eltern sagen, dass man kein Wunschkind war, man dich nicht haben wollten etc. Na, kommt euch davon etwas aus eurem eigenen Leben bekannt vor?

Spaziergang zur Badestelle in Südwesthörn bei grandiosem Herbstwetter // Foto: MeerART

So etwas zu erfahren – insbesondere in den prägenden Jahren – ist nicht nur sehr schmerzhaft, sondern kann dich dein ganzes Leben verfolgen. Meist unbewusst führt es dann zu Traurigkeit, Wut und Empörung. Durch solche Erfahrungen fühlen wir uns gekränkt, nicht ernst genommen oder geliebt. Das weiß natürlich auch unsere Seele und wendet daher den Ich-Trick an. Mit dem Ich versuchen wir die Beschädigung unseres Selbst auszugleichen, zu regulieren und zu kompensieren. Damit sind wir in der Lage uns anzupassen, uns zu verändern und zu entwickeln. Das macht uns nicht nur flexibel, wandelbar und lernfähig, sondern es hilft uns mit anderen zu verbinden und uns in unsere soziale Rolle zu fügen.

Spaziergang zur Badestelle in Südwesthörn bei grandiosem Herbstwetter // Foto: MeerART

Im Grunde könnte man das als eine Art Überlebensstrategie empfinden, was es auch ist. Problematisch wird es aber dann, wenn Ich und Selbst verwechselt werden. Sobald wir gelernt haben diesen Seelentrick dauerhaft für uns anzuwenden, verraten wir nicht nur uns selbst, sondern begeben uns in einen ständigen Kampf der Anpassung. Sich anzupassen verbraucht enorm viel Energie. Ich glaube, jeder von euch kennt das Gefühl, derart ausgebrannt zu sein. Alles zerrt an den Nerven und dabei ist man doch im Grunde nur bemüht es allen recht zu machen. Selber bleibt man aber auf der Strecke.

Dr. Hans-Joachim Maaz drückt es noch deutlicher aus: Wir nähren das Ich, so dass es immer größer wird und vernachlässigen das Selbst. Wir verlernen uns, verlieren das Gefühl für unser Ureigenes. Wir entfremden uns von uns. Diese Entfremdung führt zu einem falschen Selbst. Und aus dem falschen Selbst heraus leben wir ein falsches Leben. Ein Ersatzleben, aufgebaut auf der Ich-Leistung „Anpassung“. (Quelle: einfach.sein)

Funktionierst du noch oder lebst du schon?

Das Traurige daran ist, dass wir nur noch damit beschäftigt sind uns anzupassen und uns selbst als Mensch komplett aus den Augen verlieren. Wir wollen uns und anderen ständig beweisen, dass wir tüchtig sind und dass wir mehr können. Wir wollen zeigen, dass wir liebenswert sind und laufen damit Gefahr immer perfekt sein zu wollen. Wir strengen uns enorm an, orientieren uns an den Normen, den Wünschen anderer und passen uns diesen an. Viele von uns werden mit dieser Strategie sogar sehr erfolgreich oder sogar berühmt, doch im Inneren bleiben wir beschädigt. Wir verleugnen und selbst und zahlen nicht selten einen sehr hohen Preis dafür.

Spaziergang zur Badestelle in Südwesthörn bei grandiosem Herbstwetter // Foto: MeerART

Wer stets nur entfremdet lebt, ist einem ständigen inneren Druck ausgesetzt. Du befindest dich ununterbrochen in dem Konflikt zwischen dem, was von dir verlangt wird und dem, was du eigentlich selbst für dich möchtest. Oft passiert dies unbewusst. Auf Dauer macht uns dieser Zustand jedoch krank, denn dieser unterschwellige Stress ist die Quelle für psychosomatische Störungen und organische Erkrankungen. Oft fängt es mit Schlafstörungen an (mittlerweile eine Volkskrankheit), chronische Rücken- oder Kopfschmerzen, depressive Verstimmungen oder sogar Angstzustände. Kurzum, ein falsches Leben kann dich sehr krank machen. Das ist ein Kreislauf, aus dem man selber oft nur sehr schwer heraus kommt.

Spaziergang zur Badestelle in Südwesthörn bei grandiosem Herbstwetter // Foto: MeerART

Wenn du dich jetzt in dem Geschriebenen wiederfindest, dann wird es Zeit über dein Leben nachzudenken. Wie viel von deinem Leben bist noch du und wie viel davon ist fremdbestimmt? Sich auf diese Reise zu sich selbst zu begeben, kann sehr schmerzhaft sein, denn du wirst leider gezwungen sein, dich mit deinem Leben auseinanderzusetzen. Aber glaube mir, es lohnt sich. Ich bin diesen Weg bereits gegangen und führe nun ein glückliches und selbstbestimmtes Leben. Und das schreibe ich nicht, um mich jetzt als Hero-Women hinzustellen, sondern, um dir zu zeigen, dass es einen Weg gibt, auch wenn er anfänglich ausweglos erscheint.

Und das Schöne ist, wenn du es schaffst ein gesundes Selbst zu entwickeln, du dir deiner selbst bewusst wirst, dann gelingt es dir auch viel besser mit anderen Menschen in Beziehung zu treten, sie aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Das sage ich wirklich aus eigener Erfahrung, denn seitdem Ralph und ich gelernt haben, nur wir selbst zu sein und uns nicht mehr zu verstellen – für niemanden, ist es uns gelungen ein glückliches und erfülltes Leben zu leben. Also, glaub an dich und sei du selbst.

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