Von offizieller Seite soll Kampen ein Dorf mit reizvollen Kontrasten sein. Doch wie viel echtes Leben steckt noch in diesem Flecken Erde? Ist er überhaupt noch real oder doch nur ein wandelnder Immobilienkatalog aus Schein und Sein?
Schöne Immobilien haben mich schon immer interessiert. Gerade bei Spaziergängen liebe ich es, mir Objekte anzuschauen. Meistens sieht man sie zwar nur von außen, aber oft reicht es, um für sich selbst wieder neue Ideen zu bekommen. Das gleiche gilt natürlich auch für Gärten. Daher konnten wir Sylt auch nicht einfach so verlassen, ohne wenigstens einmal durch das Villenviertel in Kampen spaziert zu sein.
Neugierig liefen wir die Straßen entlang und betrachteten uns die Häuser und ihre Gärten. Wie man auf den Bildern erahnen kann, sind das zum Teil riesige Villen. Sie thronen hoch oben in den Dünen. Lediglich die Heckenrosen scheinen sie vor allzu neugierigen Blicken zu schützen.
Alles Objekte, die sich in Größe und Prunk selbst zu übertrumpfen scheinen. Einige von ihnen glänzen noch mit einer – zugegebenermaßen – sehr genialen Aussicht auf das Wattenmeer. Man könnte neidisch werden, aber nur beinahe. 😉
Zu entdecken gibt es wirklich viele schöne Häuser und in meinen Gedanken kreiste auch schon die eine oder andere Idee, was man davon eventuell Zuhause für sich umsetzen könnte.
Der Hindenburgdamm ist die Verbindung in zwei Welten
Wie die Häuser von innen aussehen müssen, kann ich eigentlich nur erahnen. Mittlerweile haben wir viele Handwerker persönlich kennengelernt. Die kommen meist vom Festland und es bleibt nicht aus, dass einige auch gerne mal aus dem Nähkästchen plaudern. Das ist wohl auch kein Wunder, denn Otto-Normal-Verdiener kann sich kaum vorstellen bzw. begreifen, was dort für Gelder in die Objekte fließen. Das ist schon mehr als einfach nur Luxus. Und was so absurd ist, viele von den Häusern werden nicht mal dauerhaft bewohnt. Einige dienen als Ferienhaus für nur wenige Wochen im Jahr. Das allein ist schon Sünde, aber es geht natürlich noch verrückter.
Andere werden nämlich einfach nur angeschafft, um noch mehr Kapital daraus zu schlagen. Sie werden gekauft, umgebaut (und das ist so skurril, denn in der Regel waren viele Objekte in der Zeit gar nicht bewohnt, sind also weder gebraucht noch abgewohnt), um sie dann wieder teuer weiterzuverkaufen. Eine wirklich traurige Entwicklung, die leider an immer mehr Küstenorten Einzug hält.
Schein oder Sein?
Was ich bei unserem Rundgang total erschütternd fand ist, dass das Villenviertel in Kampen wie ein seelenloses Dorf erscheint. Bis auf wenige Ausnahmen und trotz Hauptsaison steht ein Großteil dieser Häuser leer. Schlimmer noch, sie sind verrammelt, weil ihre Besitzer mit Sicherheit so schnell nicht wiederkommen werden.
Dort, wo augenscheinlich etwas Leben stattfindet, wird man schnell feststellen, dass es sich lediglich um Hausmeisterfirmen, die nach dem Rechten schauen oder Gartenbetriebe, die den Garten in Ordnung halten, handelt. Ein Szenerie, die sich so fast im gesamten Viertel durchzieht. Wie traurig. Gehört hat man davon ja schon öfters, es aber live zu sehen hat noch wieder eine ganz andere Qualität. Zumal man um die ganzen Geschichten und Schicksale weiß, die mit diesem Immobilienhype einhergehen.
Vor einigen dieser Objekte bleibe ich stehen und frage mich, ob man das wirklich alles zum Leben braucht?! Ich für meinen Teil stelle immer wieder fest, dass ich das nicht brauche. Ich habe es immer schon gehasst, wenn es in Immobilien tote Räume gibt. Also Räume, die vorhanden sind, aber eigentlich doch nicht genutzt werden. Mag sein, dass ich das wieder zu romantisch sehe, aber ein Haus braucht doch eine Seele und Liebe.
Oft frage ich mich, ob die Menschen, die sich so eine Immobilie leisten, können auch wirklich – aus tiefstem Herzen – glücklich sind? Oder ist es nur der Schein, der ihre Seele streicheln soll?
Ich für meinen Teil bin froh, dass ich hier neidlos durch das Dorf aus Luxus gehen kann. Ich genieße es sogar und kann mich für die Menschen freuen, die es sich leisten können, aber mit deren Leben möchte ich um keinen Preis der Welt tauschen. Ich liebe mein kleines überschaubares Leben, meinen Mann, unseren Stubentiger und unser Haus samt Garten, das wohl niemals wirklich fertig werden wird, aber eines ganz sicher hat – eine Seele.
9 Kommentare zu „Kampen – Schein oder Sein“
Moin liebe Claudia
Auch hierzu kann ich mir einen Kommentar nicht verkneifen: Die Reetdachvillen allesamt ein Traum ABER…. dies ist ein toter Ort, gespenstisch. Mich macht das nicht nur traurig, nein, ich könnte stinksauer darüber werden, dass diese schöne Insel zum Ausverkauf an Wohlhabende und Immobilienheie verkommen ist. Die Einheimischen müssen ihre HEIMATINSEL verlassen, weil sie sich dort das Leben und Wohnen nicht mehr leisten können. Und die „Herrschaften“ sind so gut wie oder gar nicht da!
Ich gönne jedem seinen Wohlstand und ein wunderbares Zuhause, aber wie du schon sagtest, das hat nichts mehr mit beseeltem Wohnen zu tun sondern nur noch mit Geldanlage und Prestige. Warum kaufen sich solche Investoren keine „Glaskisten“ in Shanghai? Da können sie dann spekulieren und investieren, die Natur eh nicht mehr verschandeln und nähmen den Insulanern nicht ihre Heimat weg. Ich finde sowas einfach nur zum Kotzen! Sorry!!
Koppschüttelnde Grüsse aus Schleswig
Sabina
Hallo du Liebe,
du wirst lachen, aber ich habe lange überlegt, wie ich den Beitrag über Kampen aufziehen soll… habe mich dann aber entschieden, trotz Villenviertel die Schönheiten der Häuser in den Vordergrund zu stellen. Aber es ist schon richtig, das was da passiert kann Otto-Normal-Verbraucher absolut nicht mehr greifen. Wenn du wüsstest, was wir nun schon alles von Handwerkern erfahren haben, dann könntest du erst richtig mit dem Kopf schütteln. Und was noch viel schlimmer ist, alle nehmen sich Sylt als schlechtes Beispiel, aber fallen trotzdem mehr oder weniger auf die selben Dinge herein. Selbst auf unserer Herzensinsel Amrum spielen sich dieselben Dramen ab und von den ostfriesischen Inseln wie Norderney und Co. hört man auch nichts anderes. Selbst an der Ostküste geht es weiter. Und anderswo sowieso, ich sag nur Balearen und und und. Aber ganz ehrlich, schuld an dem Ausverkauf haben doch irgendwie alle. Würden die Einheimischen sich von dem vielen Geld, was ihnen geboten wird nicht anziehen lassen, dann gäbe es die ganzen Verkäufe doch auch gar nicht. Nur wo es einen Verkäufer gibt, kann auch ein Käufer zuschlagen. Oder nicht?
Eigentlich kann das auch gar nicht mehr lange gutgehen. Inseln wie Sylt dürften schon bald vor einem Kollaps stehen, denn nicht nur die Einwohner schwinden, sondern (dank der katastrophalen Bedingungen bei der Marschbahn) auch die Arbeitskräfte. Bald ist keiner mehr da, der den Schönen und Reichen die Brötchen bringt oder den Kaffee ausschenkt. Aber ob wir das noch erleben…. ???
Koppschüttelnde Grüße zurück.
Claudia
Moin Claudia,
den Sylt Irrsinn haben in den 70ern Leute wie Sachs, Höfer, Augstein, Beitz und viele andere losgetreten.
Das Mantra der „happy few“ hat langfristig dazu geführt, dass viele glaubten, Sylt/Kampen sei in Deutschland der Platz für Immobilien Investments der höheren Kategorie.
Das deutsche St. Tropez lud alle „besseren Menschen“ dazu ein, ihr fettes Geld hier zu lassen.
Dieses marktradikale Gehabe hat in der Folge die ganze Insel verseucht.
Allerdings ist die zweite Seite der Medaille diese:
Durch die und mit den Schönen und Reichen hat Sylt ein IMAGE bekommen, das dazu führte, Touristen auf die Insel zu spülen. Diese liessen und lassen viel Geld auf Sylt.
Hoffen wir alle auf eine List der Vernunft, die eines Tages Sylt auf ein Normalmaß zurückführt.
Gruß
CARLO (nach Diktat verreist)
Moin!
Mal sehen, wie es in Kampen in der „Nach-Corona-Zeit“ weitergeht.
Sylt als Ökoinsel ist irgendwie schwer vorstellbar; allerdings werden wahrscheinlich die ganz wilden Zeiten zunächst einmal vorbei sein.
Es wird sich mittelfristig ein sanfter Tourismus durchsetzen, der aber ein hedonistisches Fundament
haben wird.
Motto: Traditionen bewahren, dem Zeitgeist Rechnung tragen.
Und vor allem: Trendsetter bleiben!
So long
Moin,
tja, wer weiß wo die Reise hingeht?! Aber wenn ich mir angucken, wie viele Touristen in diesem Jahr die Inseln und die Küste an Nord- und Ostsee gestürmt haben, dann wird das wohl so schnell nichts mit einem Slow Travel. Schade eigentlich.
Liebe Grüße von der Küste,
Claudia
Nun ja Claudia,
wenn irgendwann im Verlaufe des Klimawandels
die Südeuropäer die nördlichen Küsten „stürmen“
werden, dann kannst du den Slow Travel in der Tat
ad actam legen.
Extremadura gruesst Sylt!
Hallo Miteinand,
gestern Vormittag lief im NDR-Fernsehen ein sehr interessanter Beitrag
über Sylt.
Er beleuchtete die wilden 70er und seine Protagonisten. Wow!
Das war damals eine Zeit des Aufbruchs, gerade auch für den Tourismus
auf der Insel. Es ging echt die Post ab.
Das mitunter exessive Partyleben fand überall auf der Insel statt.
Nun gibt es offenbar Bestrebungen, die „Ballermannisierung“ nach Sylt
zu tragen. Warum nicht – nur zu.
Alle „Feierwütigen“ sind herzlich eingeladen.
Habt Spaß und empfehlt uns weiter
Justus
Moin,
„Sylt im Wandel der Zeit(en)“ – der Mythos lebt!
Das kann das diesjährige Motto der Insel sein.
Alles geht, nichts muss; es klingt zwar ein wenig abgedroschen,
gilt aber, wie ich finde, mehr denn je.
Wenn der wunderbar kühle Sommerwind über die Insel weht,
erwachen die friesischen Lebensgeister erst richtig.
Sylt ist der ideale Ort, um sich Urlaubswünsche zu erfüllen!
Ich wünsche euch allen, daß ihr das echte Sylt-feeling selbst
erfahrt und sehr gerne immer wieder kommt.
Viele Grüße
Peter
P.S. Sylt – eine Insel, die dich ins Schwärmen bringt!!!
Moin!
Nun scheint auch die letzte Bastion sehr guten Lebens auf Sylt zu
fallen.
Die üblen Schmierereien und Sachbeschädigungen unlängst in
Kampen sind ein Fanal. Was soll das? Cui bono?
Man kann nur alle vernünftigen Menschen dazu aufrufen, sich
gegen diesen organisierten Schwachsinn zur Wehr zu setzen.
Nicht eine Nuance, nicht ein Klimaparameter wird durch diese
kriminellen Taten verändert/gebessert.
Erst die Punks, nun die Schmierfinken – was wird das nächste sein?
Schnappt diese Vollhonks und führt sie „sozialer Gemeinschaftsarbeit“ zu!
Es gibt viele sinnvolle Klimaprojekte, wo sie ihre destruktiven Motivationen
sublimativ kompensieren können.
Auf gehts!
Und bitte: Keine Sicherheitsdienste auf offener Straße in Kampen!
Viele Grüße
Luis