Der Traum vom Friesenhaus

Reetdachhaus in Kampen auf Sylt // Foto: MeerART

Sobald vom Friesenhaus die Rede ist, kommt fast jeder ins Schwärmen. Doch was ist der Zauber dieser Häuser und was macht sie so besonders?

Ist es die Heimeligkeit an sich, die man mit ihnen verbindet oder die Erinnerung an den letzten Urlaub im Norden? Vielleicht beides! Der Norden lockt jedenfalls nicht nur mit zauberhaften Küstenlandschaften, sondern auch mit einer ganz besonderen Bauweise. Eine Bauweise, die nicht nur typisch für Schleswig-Holstein (Südschleswig) ist, sondern auch für den Süden Dänemarks (Nordschleswig). Hier zeigt sich wieder mal ganz deutlich, dass wir eine gemeinsame Geschichte haben.

Kleine Stippvisite in Rantum auf Sylt // Foto: MeerART

Der Ursprung der Friesenhäuser

Zum prägenden Landschaftsbild von Nordfriesland gehören Friesenhäuser auf jeden Fall dazu und das mittlerweile nicht nur an der Küste. Was wir so liebevoll Friesenhaus nennen, ist eigentlich ein uthlandfriesisches Haus. Den Namen hat es deshalb, weil dieser Baustil seit Jahrhunderten typisch für die nordfriesischen Uthlande, also die Inseln und Halligen, aber auch in den Marschgebieten ist. Die uthlandfriesischen Häuser sind wiederum eine Sonderform der sogenannten Geesthardenhäuser.

Die Hallig Langeneß im nordfriesischen Wattenmeer // Foto: MeerART / Ralph Kerpa

Vielleicht kurz zur Erklärung: Bei uns im Norden gibt es drei Arten von Geesthardenhäusern, und zwar das jütische quergeteilte Geesthardenhaus, das aufgrund seiner geografischen Verbreitung auch cimbrisches Haus oder Schleswiger Haus genannt wird. Dann gibt es das Gulfhaus (ebenfalls besser bekannt durch seine Sonderform, den Haubarg) und das (niederdeutsche) Hallenhaus. Diese drei Haustypen bildeten übrigens den Grundstein für die heutige Formenvielfalt der Bauernhaustypen in Schleswig-Holstein. Die wohl bekannteste und vor allem beliebteste Form scheint ungebrochen das uthlandfriesische Haus (Friesenhaus) zu sein.

Nordsee – Daenemark – Højer in der Tønder-Marsch in Sønderjylland // Foto: MeerART

Ich bleibe jetzt aber bei der Bezeichnung Friesenhaus, denn diese ist einfach gefälliger und der Name entspricht auch mehr der Heimeligkeit, die wir alle damit verbinden. Die Grundstücke der Friesenhäuser sind oft mit einem Friesenwall eingefriedet, der in der Regel aus geschickt gestapelten Felssteinen besteht. Die Gärten sind je nach Lage angelegt. So sieht man auf dem Festland eher kleine Bauerngärten, während auf den Inseln und Halligen eher Dünengräser und Heckenrosen den Ton angeben.

Stippvisite im idyllischen Møgeltønder in Sønderjylland // Foto: MeerART / Ralph Kerpa

Doch das erklärt noch lange nicht die Magie, die von den Häusern ausgeht. Selbst ich komme bei dem Gedanken an ein Friesenhaus ins Schwärmen und das, obwohl die typischen Friesenhäuser eher klein und dunkel sind, also gar nicht dem entsprechen, was ich liebe.

Friesenhäuser früher und heute

Inzwischen hat sich die Bauweise der Friesenhäuser ganz schön verändert bzw. sich den heutigen Bedürfnissen angepasst. Während die älteren Häuser eher sehr klein und dunkel von innen sind, sind die heutigen Exemplare recht großzügig gebaut und lassen viel mehr Licht in die einzelnen Räume. Bei den neueren Häusern lässt man den roten Ziegel in der Regel auch sichtbar, während viele der alten eine – meist weiß – getünchte Fassade aufweisen. Das liegt ganz einfach daran, dass man früher nicht so viel Geld hatte und zum Bauen benutzt hat, was da war. Die Ziegel passten farblich nicht immer zusammen, daher kaschierte man dies, indem man die Fassade anmalte. Fenster und Türen wurden oft weiß, blau oder grün angestrichen.

Reetdachhäuser in Kampen auf Sylt // Foto: MeerART

Die Statik dieser Häuser beruht auf einem Ständerwerk aus Holz. Da die Inseln und Halligen weitgehend baumlos waren, nutzte man für das Holzständerwerk oftmals Strandgut, wie angetriebene Schiffsmasten und Planken. Trotz dieser zum Teil abenteuerlichen Baumaterialien bot das Ständerwerk den Bewohnern den nötigen Schutz, wenn massive Stürme die Eilande heimsuchten und Dächer und Außenwände beschädigten.

Die Nebensaison auf der nordfriesischen Insel Amrum // Foto: MeerART

Ein weiteres Merkmal der Friesenäuser ist die Klöntür. Diese Tür ist horizontal zweigeteilt, so dass die obere Hälfte allein geöffnet werden kann, zum Beispiel um zu lüften, aber natürlich auch zum Klönen. 😉 Wer einmal das Glück hatte so eine Klöntür zu besitzen, wird mir bestimmt beipflichten, dass diese Art der Tür zu einer ganz besonderen Atmosphäre beiträgt.

Genau wie das typische Reetdach, das für mich optisch nach wie vor unschlagbar ist. Zu dumm nur, dass die Unterhaltung ziemlich kostspielig ist, denn ein Reetdach will regelmäßig gepflegt werden. Besonders die Algenbildung macht dem Reet zu schaffen und kann es, wenn diese nicht behandelt wird, mit der Zeit beschädigen. Der Nachteil eines Reetdaches ist natürlich auch die schnelle Entflammbarkeit. Darum hat jedes Friesenhaus einen Giebel über der Eingangstür. Sollte das Dach bei einem Feuer in Flammen stehen, rutscht das Reet an der jeweiligen Seite herunter und ermöglicht so den Fluchtweg durch die Haustür.

Die Nebensaison auf der nordfriesischen Insel Amrum // Foto: MeerART

Friesenhäuser im Vergleich

Was die Friesenhäuser auf dem Festland von den uthlandfriesischen Häusern unterscheidet, ist der spitze Giebel über der Eingangstür, der sich bis knapp unter den First erstreckt. Die Friesenhäuser auf dem Festland haben einen breiteren, weniger spitzen Giebel (Backengiebel).

Auch die Einrichtung unterscheidet sich heute von der damaligen. Während früher alles eher einfach und pragmatisch war, (Stall und Wohnhaus unter einem Dach) steht die heutige Einrichtung eher im Kontrast zu der ursprünglichen. Nicht selten trifft modernes Design auf traditionelle Bauweise. Oftmals ein sehr spannender Kontrast.

Genau erklären kann ich mir die Faszination zwar nach wie vor nicht, aber manchmal muss man auch nicht allem auf den Grund gehen. Wichtig ist doch, was es mit einem macht bzw. ob es gefällt und die Friesenhäsuer werden ganz sicher auch in Zukunft viele Herzen höher schlagen lassen.

Das denkmalgeschützte Öömrang Hüs in Nebel // Foto: MeerART

Unser Tipp: Gut erhaltene und typische Uthlandhäuser finden sich beispielsweise auf der Hallig Langeneß mit den Häusern Tadsen (erbaut 1741) und Sönnichsen (heute Herberge des Heimatmuseums), auf Sylt mit dem Altfriesischen Haus sowie auf Amrum mit dem Öömrang Hüs. Das 1617 erbaute Haus Olesen wurde nach seinem Abriss auf Wyk auf Föhr wieder aufgebaut und ist das älteste erhaltene Haus dieses Typs und inzwischen ebenfalls ein Heimatmuseum.

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10 Kommentare zu „Der Traum vom Friesenhaus“

  1. In Langenhorn steht ein 1669 erbautes uthlandfriesisches Haus mit original erhaltenem Holzständerwerk. Es ist denkmalgeschützt und laut Bauhistoriker gibt es in Nordfriesland wohl nur noch 6 bis 7 Häuser mit einem solch erhaltenen Holzständerwerk. Die Faszination in einem historischen, uthlandfriesischem Häuschen zu leben, ist die spürbare Geschichte in jeder Ecke des Hauses. Es ist eine wunderbare Aufgabe dies zu Erhalten.

    1. Moin,

      wie cool, in unserem Heimatdorf. Wer hätte das gedacht. Ich kann mir auch schon fast denken, welches das ist. Zumindest lässt die Dauerbaustelle bzw. die Kernsanierung darauf schließen. Das war bestimmt ein spannender Akt mit vielen Überraschungen. Da ich mich gerne für Einrichtungen interessiere, wäre ich persönlich auch neugierig zu sehen, wie es dann von innen aussieht. 😉

      Bevor wir nach Langenhorn gezogen sind, haben wir in einem eben so alten Bauernhaus gewohnt und als dieses saniert wurde, gab es auch die eine oder andere Überraschung. Spannend ist auch die Geschichte. Ich habe mir immer vorgestellt wer dort wohl schon alles gewohnt hatte und was für ein Leben sie hatten. Ein paar konnten wir ausfindig machen.

      Viel Freude weiterhin in eurem Haus und lieben Dank für den gestrigen Besuch im Atelier.
      Claudia

      1. Wir haben das Häuschen ökologisch saniert. Das Reetdach wurde komplett mit Seegras gedämmt. Das Seegras stammt von der nahen Ostsee. Für die Sanierung der Wände wurde nur Lehm, Seegras und Hanf genutzt. Alle Fenster wurden denkmalgerecht aus Lärchenholz vom Tischler gefertigt. Unter #friesenhaus1669 findet Ihr Fotos von der Sanierung .

      2. Wow, wie cool.
        Seitdem ich gehört habe, dass Seegras ein so toller Dämmstoff ist, bin ich total begeistert davon. Ihr habt euch wirklich sehr viel Mühe gegeben. Echt klasse. Das ist wirklich Eigenliebe für ein Objekt.

        Liebe Grüße,
        Claudia

    1. Moin lieber Dirk,

      absolut. Wir haben auch lange geliebäugelt mit so einem Haus, aber dann doch die Finger davon gelassen. Die alten Friesenhäuser zu sanieren ist ganz schön kostspielig und die neueren einfach unbezahlbar. Außerdem mögen wir gerne offene, große Räume und die sind mit einem „alten“ Friesenhaus eher nicht vereinbar.

      Liebe Grüße,
      Claudiabe

  2. Sehr schöner Beitrag, sehr informativ!
    Die Hauptfaszination der Friesenhäuser liegt wohl vor allem in den Reetdächer begründet. Ein genialer Baustoff und im wahrsten Sinne ein natürlicher. Im Sommer wird es unterm Reet nicht sehr heiß, im Winter kühlt es nicht so stark aus, im Gegensatz zu den heutigen „modernen“ Baustoffen, vor allem Beton und Dämmmaterialien, die beide sogar ein äuserst ungesundes Raumklima erzeugen.
    Schönen Gruß von der Hallig Langeneß,
    Helmut

    1. Moin Helmut,

      da magst du recht haben. Reet ist genauso faszinierend wie Seegras und überhaupt nicht mit den modernen Baustoffen zu vergleichen.

      Freut mich, dass dir der Beitrag gefallen hat. Ich hätte eigentlich noch viel mehr darüber schreiben können. Zum Beispiel fand ich es total interessant, dass man früher in den Uthlanden mit seinem Haus ganz einfach umgezogen ist, wenn die alte Warft nicht mehr sicher war. Heute kaum noch vorstellbar bzw. recht aufwendig und kostspielig, wie man an der aktuellen Situation auf Nordstrandischmoor bei der Familie Kruse sieht.

      Liebe Grüße,
      Claudia

  3. Ich bewundere diese Häuser seit vielen Jahren. Wir machen seit 50 Jahren Urlaub in Westerhever Stufhusen. In dieser Zeit wurde das eine oder andere Haus saniert.
    Ich stehe immer wieder fasziniert davor.
    Vielleicht kennt ihr auch das wunderschöne Friesenhaus in Sankt Peter Ording Dorf. Das Haus hat einen tollen Vorgarten, der von dem Besitzer aufwendig gepflegt wird.
    Die Blumenpracht ist zu jeder Jahreszeit sehenswert.
    Ich freu mich darauf ab Mitte Juni.

    Liebe Grüße Gerlinde

    1. Moin liebe Gerlinde,

      das geht uns nicht anders. Wir staunen auch immer. Aber generell habe ich ein Faible für schöne Häuser. Ich schaue sie mir einfach gerne an.
      Und das Haus, das du in St. Peter-Ording meinst kennen wir natürlich auch. Allerdings waren wir schon ein paar Jahre nicht mehr so direkt im Ort, sondern meist nur am Strand.
      Dafür sehe ich oft Bilder, wenn die in den sozialen Netzwerken von dem Haus und dem Garten gemacht werden.

      Liebe Grüße von der sonnigen Nordsee,
      Claudia

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